Die Geschichte eines Viadukts
1984, Km 45,45 der Furka Bergstrecke
Wer heute über die Furka Bergstrecke fährt, wird an der Stelle des ehemaligen Viadukts "T" ,
auch Viadukt Gletsch genannt, keine Brücke mehr entdecken.
Lok 6 hat mit ihrem Zug den Kehrtunnel verlassen und befindet sich nun an der Stelle des ehemaligen Viadukts "T".
Man beachte die gemauerte Stelle links. Foto Luc Wullschleger 2010
Die Modellbahnanlage von Willi Rutz zeigt die Situation im Jahre 1980, kurz vor der Stilllegung der Bergstrecke.
Ein Pendelzug der FO ist bergwärts unterwegs und wird demnächst in den Bahnhof Gletsch einfahren.
Die historische Entwicklung ab 1981 an diesem Teil der Bergstrecke bei Km 45,45:
Zum Ende der Saison 1981 wurde die Bergstrecke zu Gunsten des Furka-Basis-Tunnels stillgelegt.
Am 3. Dez. 1983 gründete sich zur Rettung der Bergstrecke der Verein Furka Bergstrecke ( VFB).
Am 14.Juli 1984 verzichtet die FO auf den Abbau der Furka-Bergstrecke und der VFB darf an den FO-Anlagen arbeiten
und die FO-Pläne nutzen. Darin ist an dieser Stelle eine "Notbrücke T" verzeichnet.
Bei der Ortsbesichtigung in den 80er-Jahren konnte man bei Km 45,45 die Brücke sehen, die einen Geländeeinschnitt gleich oberhalb des Kehrtunnels überbrückte.
Die Brücke überspannte 29m und wies 5 Öffnungen á 5m auf. Sie hatte 4 Pfeiler, 2 davon waren massiv gemauert und 2 bestanden aus Beton .
Die Öffnungen waren durch eine Stahlkonstuktion überbaut, auf der die Holzschwellen mit den Schienen lagen.
Die Brücke befand sich im Zahnstangenabschnitt und in einer leichten Kurve.
Auf der Modellbahnanlage von Willi Rutz kann man die Situation gut erkennen.
Hier wird die Anlage auf der Messe in Kassel 2015 gezeigt.
Karte der Bergstrecke oberhalb Oberwald
Das ursprünglich in den Karten verzeichnete Viadukt "T" war auch als "Viadukt Gletsch" bekannt. In der Karte ist es die Nr 7.
Warum "T" ?
Die Bezeichnung mit Großbuchstaben rührt aus der Bauzeit der Bergstrecke in den 1920er Jahren.
So ist bergwärts von Oberwald kommend in den Unterlagen die Rätterisbrücke mit einer Spannweite von 22m verzeichnet.
Danach folgt ein Viadukt "Q" mit 86m Spannweite in Massivbauweise. Dabei handelt es sich um die später "Lammenbrücke" getaufte Brücke über die Nationalstraße bei Km 42,8.
Über die Lehnenviadukte "R" und "S" kommen wir zur Rhonebrücke und dem Kehrtunnel.
Oberhalb des Kehrtunnels wird weitergezählt mit Viadukt "T" , den wir hier beschreiben.
Nach weiteren 100m folgt bereits das nächste Viadukt "U", es ist wiederum ein Lehnenviadukt mit einer Länge von 56m.
Bis Gletsch sind es nur noch 600m, bei einer Höhendifferenz von 30m.
Der Anfang:
Zur Eröffnung der Strecke Brig -Oberwald -Gletsch im Jahre 1914 existierte bei Km 45,45 eine gemauerte Steinbrücke.
Postkarte Verlag Société Graphique Neuchâtel aus der Sammlung Stefan Wagner
Die Bahnstrecke wurde bis 1923 von der BFD (Brig-Furka-Disentis-Bahn) betrieben.
Nach dem Konkurs der BFD übernahm die neugegründete FURKA-OBERALP-BAHN ( FO) den Betrieb auf der Strecke.
Ein Dampfzug auf dem ursprünglichen Viadukt Gletsch "T". Beide Fotos aus der Sammlung Huwiler_DFB/FurkaApp
Hier erkennt man nochmal gut die massive Bauweise aus den Anfangsjahren.
Gegenüber dem vorherigen Bild ist die Strecke auf diesem Bild bereits elektrifiziert, also ab 1942. Lok FO 4 fuhr bis 1973 .
Die Dampfloks an der Bergstrecke
Im Jahre 1947 wurden die Loks 1, 2, 8 und 9 nach Vietnam verkauft.
Im Sommer 1968 fuhr ein letzter offizieller durchgehender Dampfzug Brig-Disentis.
Lok 4 wurde 1973 als letzte HG3/4 Lok bei der FO außer Dienst gestellt.
1983-88 wurde diese Lok von den Oberwalliser Eisenbahn-Amateuren aufgearbeitet und danach für Extrazüge eingesetzt.
Seit 1997 ist sie per Leihvertrag bei der DFB, wo sie ab 2006 eingesetzt wurde.
2010 bekam die DFB die Lok 4 zur Eröffnung des Abschnitts Gletsch-Oberwald von der MGB geschenkt.
Zurück zur Geschichte der Brücke:
Ende der 70er-Jahre noch zu FO-Zeiten wurde sie von einer Lawine zerstört. Und zwar von einer Lawine, die vom gegenüberliegenden Hang ins Tal rauschte und über die Rhone hinweg wieder bergauf in die Gewölbe des Viadukt "T" drückte und die Fahrbahn von unten aus den Angeln hob.
Die Brücke wurde repariert, zwei Pfeiler wurden dabei in Betonbauweise ausgeführt. Als Fahrbahn wurden Stahlträger auf die Pfeiler aufgelegt, worauf die Holzschwellen befestigt waren. Das Ergebnis sah eher provisorisch aus. Seitdem sprach man von der "Notbrücke "T".
Blick vom Talgrund auf die Notbrücke.
Foto aus der 14-teiligen Heftserie von Hans Hofmann über die Bauwerke der Furka Bergstrecke.
Die Notbrücke tat bis zum Ende der Betriebssaison 1981 ihren Dienst.
Ab Saisonbeginn 1982 fuhr die FO durch den Basistunnel, die Bergstrecke fiel in einen Dornröschenschlaf.
Die Rettung der Bergstrecke
Am 3. Dez. 1983 gründete sich zur Rettung der Bergstrecke der Verein Furka Bergstrecke ( VFB).
Am 14.Juli 1984 verzichtete die FO auf den Abbau der Furka-Bergstrecke und der VFB durfte an den FO-Anlagen arbeiten
und die FO-Pläne nutzen.
Im Winter 1988 riss eine Lawine erneut den Oberbau der Brücke weg, die Gleise waren unterbrochen.
3 Fotos Gerd Cremer Juni 1988
Auf diesen Bildern kann man gut das Konstruktionsprinzip der Notbrücke erkennen.
Man beachte den Stahlträger und ein Gleisjoch unterhalb der Nationalstaße.
Daraus kann man auf die Richtung und die Wucht der verursachenden Lawine schliessen.
Der Zahn der Zeit nagt an der Notbrücke.
Gerd Kroh war im Sommer 1988 zur Stelle:
Der Wiederaufbau der Bergstrecke durch den Verein VFB
und ab Mai 1989 der neugegründeten DFB als Betriebsgesellschaft begann von Realp aus
und ging in kleinen Schritten vonstatten.
1992 wurde mit einem Fahrbetrieb von Realp nach Tiefenbach begonnen.
1993 wurde die Station Furka erreicht. Erst im Jahr 2000 wurde Gletsch im fahrplanmäßigen Betrieb angefahren.
Foto Hans Kabbe 1996
In der Zwischenzeit erodierte unsere Notbrücke immer weiter, 1998 stürzte ein Brückenpfeiler ein.
Foto Hans Kabbe 1998
Noch ein Bild von Hans Kabbe 1998, hier ist bereits ein Bagger zu sehen.
Die Lösung eines offensichtlichen Problems
VFB und DFB mussten sich eine Lösung für diese Problemstelle einfallen lassen.
So traf es sich gut, dass beim Ausbau der Furka Nationalstraße oberhalb Gletsch passendes Material verfügbar war, um den Geländeeinschnitt an der Notbrücke zu verfüllen.
Foto Gerd Kroh im Juli 2000
Es wurden insgesamt 3800m³ Gestein als Damm aufgeschüttet und verfestigt, sodass im Herbst 2001 die Schienen gelegt werden konnten.
Aus DADF 4/2002, Foto Urs Jossi
Im Juni 2002 ist Hans Kabbe an der Strecke. Die folgenden zwei Fotos sind aus seinem Nachlass:
2002 konnte Lok 51 eine erste Fahrt über den Damm Richtung Oberwald machen.
Seit dieser Zeit ist von einer Brücke nichts mehr zu sehen.
Blick vom Kehrtunnel kommend
Die Aufschüttung hat das Lawinen-Problem ein für allemal gelöst.
So gehört die Notbrücke T in jedem Fall mit zur Geschichte unserer Dampfbahn Furka Bergstrecke,
auch wenn von ihr heutzutage nichts mehr zu sehen ist.
Foto Frank Meve
2008 machte die Gleisbaurotte aus Rhein-Main nach ihrer Bauwoche eine Streckenbegehung von Gletsch nach Oberwald.
Zur Einordnung des Bau-Fortschritts unserer Dampfbahn folgt hier ein Auszug
aus der "Chronik des Wiederaufbaus der Furka-Bergstrecke" Siehe >>> Tab REGISTER
1987 12. Feb. Absichtserklärung zw. FO und DFB über Erwerb der Bergstrecke von Realp - Furka - Gletsch und Nutzungsrecht für die Strecke Gletsch - Oberwald
1989 Mai Die DFB erhält die Konzession für den Wiederaufbau und den Betrieb der Furka-Bergstrecke
2006 27.Jun Die DFB erhält die Eigentumsrechte der Strecke Oberwald-Gletsch als Geschenk von der MGB,
in Oberwald wird gleichzeitig mit dem ersten Spatenstich begonnen.
2010 12.Aug Eröffnung des Streckenabschnittes Gletsch-Oberwald.
Erst jetzt, im Jahre 2010, 28 Jahre nach der Streckenstilllegung durch die FO, ist es wieder möglich, fahrplanmäßig über die gesamten 18km der Furka Bergstrecke zu fahren.
Nur im Sommer, wie zu BFD- und FO-Zeiten auch.
Die Betriebssaison 2024 der Furka Dampfbahn geht vom 20.Juni bis zum 29. September.
Redaktion: Frank Meve
Fotos: Gerd Cremer; Gerd Kroh; Hans Kabbe; Frank Meve; Sammlung Huwiler DFB/FurkaApp; Burkhard Rätzel;
Luc Wullschleger ( lucwulli.ch/dfb/ ); Sammlung Stefan Wagner
Literaturquellen: # DADF 4/2002 , Vereinsmagazin des VFB/DFB
# Broschüre "Bauwerke der Furka Bergstrecke" von Hans Hofmann, Chur 1994
# Kurt Seidel "Das große Buch der Furka-Oberalp-Bahn" 1982
# Hans Schweers "Die Furka Bergstrecke" 1994
# Manfred Willi "Drei intensive Jahrzehnte an der Furka-Bergstrecke"
# Johannes von Arx "Dampfbahn Furka Bergstrecke Abenteuer Furka" , erschienen 2000
Die letzten beiden Bücher sind noch über die VFB-Sektion Rhein-Main Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu beziehen.